geblocktegedanken


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Stille Nacht: Heute vor 100 Jahren

Es ist kalt. Bitterkalt. Die Handschuhe bekommen schon langsam Löcher. Die Kälte versucht durch jedes noch so kleine Loch in der Kleidung einzudringen. Ein Paar trockene Socken. Eine neue Jacke. Ein sauberer Pullover. Das wäre was.

An manchen Stellen ist die Erde matschig. Meistens da, wo sich jemand an die Wände gelehnt hatte oder dort, wo jemand gesessen hat. Doch größtenteils ist die Erde gefroren. Harter, kalter zusammengepresster Dreck.

Ein paar Meter weiter steht ein dürftiger Weihnachtsbaum mit ein paar fast schon komplett herunter gebrannten Kerzen. Als schön kann man die kleine mickrige Tanne wahrscheinlich nicht bezeichnen. Aber wenn man sich ein bisschen umsieht und in die Gesichter der Männer blickt, ist sie noch der Blickfang, der am meisten Weihnachtsstimmung ausstrahlt.

Fast jeder hängt irgendwo seinen Gedanken nach. Einige versuchen, ein paar Stunden Ruhe und Schlaf zu bekommen. Man ist gezwungen, hier zu sein. Man ist gezwungen, hier an diesem erbärmlichen Ort zu sein, kilometerweit entfernt von der nächsten Stadt. Früher war das hier wohl einst ein Feld, auf dem goldenes Getreide angebaut wurde. Jetzt ist es nur noch ein trostloses Stück Land, durchzogen von zahlreichen Gräben und bis auf das Unkenntlichste durch Granateinschläge und Bombenkrater zerstört. Was früher einst der Grund und Boden für neues Leben war, ist heute die Bühne, auf der der Tanz des Todes getanzt wird.

Eingeklemmt in diesen Gräben sitzen und hängen die Männer und denken an ihre Familien daheim. Mit traurigen Gesichtern sitzen die Kleinen zu Hause unter dem prächtigen Weihnachtsbaum und packen halbherzig ihre Geschenke aus. Mama hat sich ein künstliches Dauerlächeln aufgesetzt, die Augenringe überschminkt und hofft, dass sie nicht zu viele unangenehme Fragen beantworten muss.

„Warum kann Papa nicht wenigstens zu Weihnachten nach Hause kommen?“ – „Er hatte mir versprochen, dass wir dieses Jahr im Winter zusammen einen Schlitten für mich bauen werden.“ – „Kommt Papa noch vor dem Frühling wieder nach Hause?“ – „ Wo ist Papa denn jetzt genau?“ – „Packt er jetzt auch Geschenke mit seinen Freunden aus?“

Der ein oder andere versucht, diese Gedanken wegzuschieben, um sich den Abend nicht ganz zu vermiesen und wenigstens mit den anderen Kameraden die ein oder andere Anekdote auszutauschen. Aber es ist nicht einfach. Es ist nicht einfach, ein fröhliches Gesicht zu machen, wenn deine Familie Weihnachtslieder singt und sich den Gänsebraten schmecken lässt und du selbst steckst im Dreck und weißt nicht, ob du Anfang des nächsten Jahres noch am Leben sein wirst.

Doch plötzlich verstummt das Gemurmel der Männer und einer hebt die Hand, um anzuzeigen, dass sie leise sein sollen. Haben sie richtig gehört? Klang das nicht gerade wie Gesang? Doch! Jetzt wird es sogar noch ein bisschen lauter. Und jetzt kann man sogar das Lied erkennen: Stille Nacht, Heilige Nacht.

Unter der Uniform einiger Soldaten bildet sich Gänsehaut. Was für ein seltsames Gefühl, dieses Lied in dieser Situation zu hören. Auf den Gesichtern einiger Männer ist im schwachen Kerzenschein der wenigen Weihnachtsbäume ein Leuchten zu erkennen. Und mit diesem Leuchten stecken sie schnell die anderen an.

Auf einmal stimmt der erste der Kameraden mit in das Lied ein: „Da uns schlägt die rettende Stund, Christ, in deiner Geburt, Christ, in deiner Geburt.“

Ein paar Augenblicke später, und fast der gesamte Graben singt im Chor. Die Weihnachtsbäume werden oben vor die Gräben gestellt, damit sie der Feind sehen kann.

Was für ein Bild! In beiden Gräben werden gemeinsam die gleichen Weihnachtslieder gesungen. In zwei Sprachen: auf Englisch und auf Deutsch.

Von einem Moment auf den anderen ist Frieden im Krieg.

Es ist der 24. Dezember 1914, der Heilige Abend. Heute vor exakt 100 Jahren.

So oder so ähnlich könnte es damals gewesen sein. Ich erhebe keine Korrektheit auf meine kurze Erzählung. Es soll nur ein ungefährer Einblick in die Geschehnisse, die vor genau 100 Jahren im Ersten Weltkrieg passierten, sein. Die Idee dazu kam mir durch einen Werbespot einer britischen Supermarktkette.

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Quelle: Link zum Werbesport

Der Erste Weltkrieg ist eines der dunkelsten Kapitel der Weltgeschichte. 4 Jahre der Grausamkeit. 4 Jahre des Tötens. 4 Jahre des Blutes. 4 Jahre des Todes und des Sterbens. 4 Jahre der Tränen. 4 Jahre der Angst und Furcht. 4 Jahre der Dunkelheit und Unsicherheit.

Am Ende des Krieges gab es 16 Millionen Menschen weniger. Das ist viermal so viel wie die gesamte Bevölkerung des Libanon. 9 Millionen Soldaten und 7 Millionen Zivilisten mussten ihr Leben lassen. Es war eines der blutigsten Ereignisse der Weltgeschichte.

Tausende Soldaten mussten in den engen Gräben des Grabenkriegs verweilen und hoffen, dass sie diese eines Tages wieder lebend verlassen würden. Nur um ein Beispiel zu nennen: in der Schlacht von Verdun starben rund 700.000 Männer, doch am Ende der Schlacht verlief die Frontlinie nahezu unverändert.

Eine der wohl bewegendsten Aussagen über die Geschehnisse jenes Tages hat der überlebende britische Soldat Murdoch M. Wood gemacht: „The fact is that we did it, and I then came to the conclusion that I have held very firmly ever since, that if we had been left to ourselves there would never have been another shot fired.“

Der 24. Dezember 1914 war ein Lichtblick in diesem grausamen Krieg. Fast 100.000 britische und deutsche Soldaten waren an solchen weihnachtlichen Waffenruhen beteiligt. Die Geschichte vom 24. Dezember 1914 beweist uns, dass die Welt noch fähig ist, Wunder des Friedens zu erleben.

WEIHNACHTSFRIEDEN.

Weihnachten ist die Jahreszeit des Friedens. Weihnachten ist die Jahreszeit für dich und mich, kleine Wunder für deine Mitmenschen zu bewirken.