geblocktegedanken

Kontraste

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Ein edler schwarzer Porsche Cayenne. Ein Kraftpaket an Pferdestärken schlummert unter der Haube, die die Mittagssonne von Beirut reflektiert. Ein Wagen, den sich nicht jeder leisten kann.

Ein paar Minuten vorher sitzen wir ungefähr 50 Meter Luftlinie von hier entfernt auf dem Boden in einer „Wohnung“. 8 Personen wohnen, schlafen, essen und leben hier auf geschätzten 10 Quadratmetern.

Wir sitzen alle am Boden und hören der Geschichte eines kranken Mannes zu, die vom Arabischen ins Englische übersetzt wird. Im Hintergrund läuft irgendeine Kochshow, in der ein in weiß gekleideter Koch irgendwelche Köstlichkeiten in sauberen und glänzenden Töpfen zubereitet. Solche Töpfe sucht man hier vergeblich.

Der Familienvater hat eine Wunde am Bein, die aufgeht, wenn er zu schwer hebt. Das Bein sieht seltsam aus und auch der Verband scheint nicht wirklich professionell zu sein. Wenn er hustet, dann hustet er Blut. Neben ihm liegen ein paar halb gefüllte Lucky Strike Schachteln. Ob Rauchen in diesem Fall gesundheitsfördernd ist, bleibt zu bezweifeln. Die Krankheit belastet ihn erheblich, doch die Sucht scheint stärker zu sein.

Er will sich eine andere Arbeitsstelle suchen, die ihn körperlich nicht so sehr belastet. Schließlich muss das Geld um seine Familie zu ernähren ja irgendwo herkommen. 300 Dollar beträgt die Monatsmiete für diesen bescheidenen Raum. Ein stolzer Preis. Ihren eigentlichen Wohnort Homs hat die Familie längst verlassen, um hier im Libanon eine bessere Zukunft zu finden.

Aber gibt es hier eine bessere Zukunft? Ist es vielleicht nur ein Zwischenstopp? Müssen sie vielleicht bald wieder zurück, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen können?

Wir sind eine Gruppe von Studenten und Freiwilligen, die sich zu Hause den Raum nicht mit der ganzen Familie teilen muss. Viel helfen können auch wir nicht. Jemand kennt eine andere freie Wohnung, aber billiger ist die auch nicht. Wir singen zusammen ein Lied, das von Gitarre begleitet wird und sagen dem Mann, dass wir gerne für ihn, seine Gesundheit und seine Familie beten würden.

Man kann dem Mann die Dankbarkeit offen im Gesicht ablesen. Ich denke mir, dass wir doch eigentlich gar nichts gemacht haben. Einfach nur gebetet. Aber manchmal sind es die kleinen Dinge, die den Unterschied machen.

Der Mann bedankt sich mehrfach und es ist mehr als deutlich, dass er es nicht einfach nur aus Höflichkeit tut. Wir verabschieden uns von der Familie, ziehen die Schuhe wieder an und treten durch einen kleinen dunklen Gang, in dem Wäsche hängt, wieder hinaus auf die Straße.

Kinder spielen in der verdreckten Straße. Überall hängt Wäsche unter, an und auf den Balkonen. Ein kleiner Junge schenkt uns ein paar Kaugummis. Über unseren Köpfen hängen unzählige Kabel, die von einer Wohnung zur anderen führen.

Wir gehen weiter und kommen an dem schwarzen Porsche Cayenne vorbei. Was für ein krasser Kontrast auf so kleinem Raum. Was für eine ungerechte Welt. Was für eine absurde Welt.

Ich stehe auf dem Dach von meinem Wohnheim und höre den Gebetsrufen des Imams zu. Der Mond erhebt sich mit seiner scharfen Sichel über die hereinbrechende Nacht. Irgendwo da unten ist jetzt die Familie mit ihrem kranken Vater.

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Die Sichel in der Nacht

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Irgendwo da unten

Autor: geblocktegedanken

Der Grund, warum ich einen Blog angefangen habe, ist ein freiwilliges soziales Jahr in Mexiko. Mittlerweile bin ich nicht mehr in Mexiko, versuche aber trotzdem, den Blog regelmäßig mit Neuem zu füttern. Ob euch das interessiert, was ich hier posten werde, weiß ich nicht, aber ich werde mich bemühen, dass es nicht langweilig wird.

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